Das Narrenschiff
Meine Malerei habe ich immer als eine andere Art betrachtet, Geschichten zu erzählen oder eine Botschaft zu vermitteln, verdichtet wie in der Lyrik. Die gewählten Motive waren eher zufällig, aber immer dem aktuellen Zeitgeschehen entnommen.
Erst vor etwa 25 Jahren, nach der Lektüre von Sebastian Brant's "Narrenschiff" aus dem Jahre 1496, gedruckt bei Johann Froben im benachbarten Basel, wurde mir klar, dass sich die Unarten unserer Spezies in den letzten 500 Jahren nicht im geringsten geändert haben (inzwischen weiß ich, dass diese Aussage auch für die letzten 3000 Jahre gilt), wodurch der Gedanke reifte, dies anschaulich in Bild und Wort als zeitgemässe "Neuauflage" darzustellen.
So entstand die Bildserie "Narrenschiff", die sich aber zwangsläufig so gut wie erschöpft hat, weil unserer Spezies kaum noch neue Torheiten eingefallen sind. Deswegen wandte ich mich vor etwa 13 Jahren einer neuen Aufgabe zu, der Bildserie "Mikromuster der Natur", die selbstverständlich auch eine Botschaft, wenn auch nur eine, vermitteln will: Dass wir unser Universum nicht nur durch immer mächtigere Teleskope betrachten und zu verstehen versuchen, sondern dass wir auch einmal in die andere Richtung schauen und uns mit dem Mikrokosmos beschäftigen, ermöglicht durch neuartige Mikroskope, die uns den ganzen Reichtum natürlicher Formen und Gestaltung offenbaren.
Diese Serie besteht fast ausschliesslich aus der stilisierten Darstellung von Mikrokristallen, Flüssigkristallen und chemischen Molekülen aller Art in durchweg 10.000-facher Vergrösserung.
Nicht nur die Betrachtung der Natur im ganz Großen, sondern auch im ganz Kleinen, kann uns helfen zu erkennen wo wir uns ohne Überheblichkeit einzuordnen haben.
Für Demokrit und Archimedes war das noch Alltag, weil es so wichtige Dinge wie Facebook und Twitter noch nicht gab.
Klaus Eichler, 2022